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Altersvorsorge 2020 – sorgt sie für sichere Renten?

Das schweizerische Vorsorgesystem steht vor einschneidenden Veränderungen. Sowohl bei der AHV wie auch bei der Beruflichen Vorsorge werden Reformpläne geschmiedet, wie es gelingen soll, die teilweise in Schieflage geratenen Institutionen wieder auf Kurs zu bringen. Die Frage ist nur: Wer steuert diesen Grossdampfer?

Es ist landläufig bekannt, dass die Geburtenraten seit 30 Jahren tief sind und die Lebenserwartung – nicht zuletzt dank der medizinischen Fortschritte – kontinuierlich zunimmt. Diese demografische Entwicklung schwächt die AHV und die Pensionskassen – nun sind Handlungen gefragt.

AHV im Pensionsalter

Die 1948 gegründete Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ist in die Jahre gekommen und hat mit 68 Jahren ihr Pensionsalter längst erreicht. Bisweilen hat die AHV allen Stürmen standgehalten, die versprochenen Renten ausgerichtet und diese sporadisch sogar der Teuerung angepasst.

Trotz der – im internationalen Vergleich sehr hohen – Bereitschaft, die geschuldeten AHVLohnabgaben zu leisten, ist das Vertrauen der Jungen in die Leistungsfähigkeit des Sozialwerks geschwunden. Um dieses Vertrauen wieder zurückzugewinnen, sind Reformen angesagt.

Unbestrittener Reformbedarf

Die AHV steckt in den roten Zahlen. Zum zweiten Mal in Folge sind die jährlichen Ausgaben höher als die Einnahmen. Im Jahr 2015 belief sich das Defizit auf satte 579 Millionen Franken.

Für die umlagefinanzierte AHV, die ihre Auszahlungen im Wesentlichen aus laufenden Einnahmen deckt, hat eine längere Rutschpartie begonnen. Die demografische Uhr hat längst zu ticken begonnen, die Babyboomer-Generation der Nachkriegszeit kommt ins Rentenalter, was die Situation weiter verschärfen wird.

Auch die grössten Optimisten müssen bei einem Mindestmass an wirtschaftlichem Sachverstand attestieren, dass es ohne schmerzende Eingriffe nie und nimmer möglich sein wird, die AHV-Rechnung wieder ins Lot zu bringen.

Szenarien des Bundesamtes für Sozialversicherungen zeigen auf, dass bei einem Prozent Wirtschaftswachstum und einer jährlichen Nettozuwanderung von 40000 Einwanderern ab dem Jahr 2030 mit einen jährlichen Defizit von 8 bis 9 Milliarden Franken gerechnet werden muss. Dieser Fehlbetrag ist grösser als das jährliche Staatsbudget für das Militär oder die Landwirtschaft.

Heutzutage kommen für einen Rentner (65 Jahre und älter) noch 3,5 Erwerbsfähige im Alter 20 bis 64 auf; 2030 werden es in Fortschreibung des Trends bloss noch 2.3 Personen sein.

Naheliegendes verschwiegen

Die Hauptschwäche der Vorlage, die unter dem Begriff «Altersvorsorge 2020» segelt, besteht darin, durch das Heraufsetzen der Mehrwertsteuer in mehreren Stufen das Problem ein für allemal aus der Welt schaffen zu wollen – und dies notabene, ohne Abstriche an den Renten vorzunehmen.

Leistungsabbau ist in der Schweiz noch immer ein Tabuthema. Noch schlimmer – der Ständerat forderte in erster Lesung sogar eine Erhöhung der AHV-Renten um monatlich 70 Franken für alle. Dies würde jährlich wiederkehrenden Mehrkosten von 1.4 Milliarden Franken entsprechen – finanziert durch höhere Lohnprozente bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Dies geht fürwahr in die falsche Richtung

Mit Blick auf die demografische Herausforderung gibt es aus Sicht des Autors letztlich nur einen nachhaltig vernünftig umsetzbaren Weg: Um die erste Säule wieder zum sicheren Fels in der Brandung zu machen, bedarf es einer Flexibilisierung des Rentenbezugs. Das starre Rentenalter von 65 Jahren, also die auf den Tag genau auf Köpfe herunter sausende Altersguillotine, hat ausgedient. Es sollten daher Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit geschaffen werden. Ohne klar gesetzte Leistungsanreize wird es allerdings nicht gelingen, die dringend gebotene Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf den Weg zu bringen.

Ein elegantes, vom Vorreiter Schweden in die Tat umgesetztes Modell besteht darin, das Rücktrittsalter an die Wirtschaftskraft des Landes zu koppeln. So wurde ein Automatismus geschaffen, um je nach Konjunkturgang die Option eines vollen Rentenbezugs Jahr für Jahr nach einer festen Formel etwas nach vorne oder nach hinten zu schieben.

Die zurzeit in der Schweiz rege diskutierte Idee, eine Schuldenbremse zu aktivieren, sobald das Vermögen des AHV-Ausgleichsfonds unter 70 Prozent einer Jahresausgabe fällt, zielt in eine ähnliche Richtung, schafft aber nur eine Lösung auf Zeit. Dass nämlich, wie es die Schuldenbremse vorsähe, unter Zeitdruck in der Schweiz gute politische Kompromisse gefunden werden, ist wohl eher zu bezweifeln.

Somit ist die Frage nach einer nachhaltigen Lösung nicht vom Tisch. Es wird in den nächsten Jahren viel Geld aus dem AHV-Ausgleichsfonds abfliessen, die Hektik unter der Bundeskuppel wird steigen. Dabei braucht es einen kreativen und demokratisch breit abgestützten Ansatz zur Entschärfung der demografischen Bombe.

Pensionskassen sind agiler

Auch die Pensionskassen haben mit den veränderten Rahmenbedingungen und dem seit geraumer Zeit tiefen Zinsniveau oder gar mit Negativzinsen zu kämpfen. Hier darf man aber nicht verkennen, dass Pensionskassen aus Eigeninitiative bereits viel unternommen haben, um die BVG-Renten auf der Basis von realistischen Parametern zu fixieren.

So wurden bei vielen Vorsorgeeinrichtungen die Umwandlungssätze im Bereich der überobligatorischen Pensionskassengelder reduziert. Die Fristen für die Anmeldung zum Kapitalbezug wurden massiv reduziert oder faktisch gar abgeschafft. Zur Zeit findet bei den Pensionskassen eine sogenannte Umverteilung statt – dies bedeutet, dass die rein rechnerisch überhöhten Renten mit Geldern finanziert werden, welche sonst den aktiven Versicherten zu Gute kämen. Die getroffenen Massnahmen sollen in Zukunft zu einer Generationenfairness führen. Dies wäre bei Anwendung von realistischen Parametern im Rahmen des Kapitaldeckungsverfahrens gar nie notwendig gewesen.

Die aktuellen Leistungskürzungen und allenfalls anstehende Erhöhungen von Lohnbeiträgen stimmen die Arbeitnehmer missmutig. Es scheint, als müssten die aktuell versicherten Personen für die Versäumnisse der Vorgängergeneration gerade stehen. Für Versäumnisse einer Generation, welche viel zu lange von einer heute in weite Ferne gerückten Verzinsung von 4% der Altersguthaben und einem in Stein gemeisselten Rentenumwandlungssatz von 7.2% profitierte oder noch immer profitiert.

Liebe Leser – leider nützt alles Lamentieren nichts. Wie sagte schon Ralph Waldo Emerson: «Wenn wir über dünnes Eis laufen, liegt unser Heil in der Geschwindigkeit.»

Also nehmen wir das Steuer in die Hand!