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Die Haftung nie unterschätzen!

Der detaillierten Auseinandersetzung mit den Haftpflichtrisiken und dem Risk-Management im Allgemeinen wird im Geschäftsalltag oftmals zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt – obschon ein Haftpflichtschadenfall bei mangelhafter Versicherungsdeckung die Existenz des Betriebes gefährden kann.

Seit geraumer Zeit bieten die Versicherungsgesellschaften Ihren Kunden massgeschneiderte Betriebshaftpflichtversicherungen an – doch auch bei diesen vermeintlichen «Rundum Sorglos-Paketen» gilt es stets zu überprüfen, ob die vorgesehenen Deckungen mit den für den einzelnen Betrieb bestehenden Haftungsrisiken korrespondieren. Diese Standardprodukte sehen branchenspezifische Deckungsbausteine vor. Was aber, wenn Ihr Betrieb allenfalls weitere Produkte oder Dienstleistungen anbietet oder aber die im Rahmen der standardisierten Versicherungsangebote limitierten Versicherungssummen für Ihren Betrieb nicht ausreichend sind?

Es weht eine steifere Brise

Der Umgangston im Geschäftsleben ist heute harscher als dies noch vor 20 Jahren der Fall war. Werte wie Loyalität oder Verständnis werden weniger gelebt – vielmehr herrscht eine Anspruchsinflation, welche sich dadurch äussert, dass jeder noch so kleine Fehler zum Anlass genommen wird, sein Gegenüber zu verklagen oder zumindest langjährige, erfolgreiche Geschäftsbeziehungen in Frage zu stellen.

Aus diesem Grund ist der detaillierten Risikoanalyse und der adäquaten Abdeckung der Haftpflichtrisiken ein besonderes Augenmerk zu widmen – selbstverständlich gilt dies auch für alle weiteren, teilweise nicht versicherbaren Risiken, welche in diesem Artikel nicht näher beleuchtet werden, da dies den Rahmen sprengen würde. Es gilt also zu prüfen, welchen Haftpflichtrisiken Ihr Betrieb ausgesetzt ist und wie resp. mit welchen Zusatzdeckungen diese im Rahmen einer Betriebs- oder Berufs-Haftpflichtversicherung abgedeckt werden können.

Ein typisches Praxisbeispiel

Das nachstehende fiktive Beispiel der Tools AG soll aufzeigen, wie dies in der Praxis umgesetzt werden kann.

Die Tools AG beliefert die Automobilindustrie mit Kugellagern, welche zur Steuerung von adaptivem Kurvenlicht eingesetzt werden. Abnehmer sind Autohersteller in aller Welt. Die Kugellager werden primär in Fahrzeuge im Hochpreissegment eingebaut. Pro Tag verlassen gegen 100000 Kugellager das Werk der Tools AG.

Grundsätze des Risiko-Managements auf Betriebsebene

Das Risiko- oder Risk-Management ist ein mehrstufiger Prozess, welcher in der Regel wie folgt unterteilt wird:

Schritt 1: Risiken erkennen

Jeder Unternehmer sollte sich Gedanken machen, welchen Risiken sein Betrieb ausgesetzt ist. Dabei gilt es nicht nur an die Endkunden oder aber an die vom Betrieb vertriebenen Produkte oder angebotenen Dienstleistungen zu denken. Nein, wir gehen einen Schritt weiter und machen uns Gedanken, welche Risiken auf das Unternehmen zurückfallen können, wenn beispielsweise ein vor- oder nachgelagerter Betrieb in Schwierigkeiten gerät oder durch ein Schadenereignis betroffen wird.

Die Tools AG ist ein Teillieferant innerhalb einer ganzen Produktionskette und muss sich vergewissern, an welche weiteren Betriebe oder Endkunden die von ihr hergestellten Fabrikate letztlich geliefert werden. Es gilt auch zu verifizieren, welche Stückzahlen in welchen Teilen der Welt eingesetzt oder vertrieben werden.

Nach der Analyse der Kundendaten kann festgehalten werden, dass die Teile weltweit, primär jedoch in den amerikanischen und asiatischen Markt geliefert werden. Aufgrund der strengen Haftpflichtgesetzgebung in den USA gilt es, diesem Risiko besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Bei mangelhaften Kugellagern besteht die Gefahr, dass der Fahrzeughersteller eine Rückrufaktion initiieren muss, welche mit horrenden Kosten verbunden ist. Der Hersteller wird alles daran setzen, die Kosten auf die Tools AG zu überwälzen.

Ebenfalls kann es zu verspäteten Auslieferungen oder aber zu Unfällen aufgrund der nicht wie gewünscht funktionierenden Steuerung des adaptiven Kurvenlichtes kommen. Auch hier lauern grosse Gefahren.

Nachdem wir uns intensiv mit dem Erkennen der Risiken auseinandergesetzt haben, kann der zweite Schritt angegangen werden. Im übrigen sollte dieser erste Schritt ohnehin erfolgt sein, da die verantwortlichen Organe im Anhang jeder Jahresrechnung bestätigen, sich mit den entsprechenden Risiken des Betriebes auseinandergesetzt zu haben – was leider nicht immer der Realität entspricht.

Schritt 2: Risiken bewerten

Sobald wir uns im Klaren sind, welchen Risiken die Tools AG ausgesetzt ist, gilt es diese Risiken zu bewerten. Risiken werden nach deren Eintrittswahrscheinlichkeit und dem möglichen Ausmass des Schadens bewertet. Wir analysieren, welche Risiken sich häufig, relativ häufig, eher selten oder selten ereignen können. Für alle identifizierten Risiken setzen wir ein mögliches Schadenausmass ein. Das Schadenausmass wird in der Regel mit folgenden Begrifflichkeiten festgehalten: marginale Auswirkung, mittlere Auswirkung und katastrophale Auswirkung. Sollten wir feststellen, dass Risiken mit häufiger Eintrittswahrscheinlichkeit und katastrophalem Schadenausmass bestehen, gilt es unverzüglich zu überprüfen, wie mit diesen Risiken umzugehen ist und welche Sofortmassnahmen allenfalls getroffen werden können. Die Bewertung der Risiken kann im Rahmen der Erstellung einer Risikomatrix erfolgen, bei welcher die beiden ermittelten Werte (Häufigkeit und Schadenausmass) zusammengeführt werden.

Basierend auf dieser Risikomatrix können wir nun im nächsten Schritt den für die Tools AG passenden Umgang mit diesen Risiken ins Auge fassen und uns dem ursprünglichen RiskManagement widmen.

Schritt 3: Umgang mit Risiken (RiskManagement im ursprünglichen Sinne)

Bei diesem Schritt handelt es sich um das klassische Modell des Risk-Managements, welches die beiden vorgelagerten Schritte voraussetzt. Im Umgang mit Risiken wird von den Verantwortlichen der Tools AG festgelegt, welche Risiken mit welchen Massnahmen angegangen werden. Es erfolgt eine Unterteilung in vier Stufen:

1. Risiken vermeiden

Ist die Tools AG bereit, sich weiterhin diesen Risiken auszusetzen, oder bestehen Teilmärkte mit geringem Umsatz, welche aufgrund der Risikoanalyse allenfalls nicht mehr beliefert werden sollen, um so die Risiken zu vermeiden? Dies dürfte schwierig sein, da insbesondere im Hauptmarkt USA ein hoher Umsatz erzielt wird und beschlossen wird, die latenten Haftungsrisiken weiterhin einzugehen.

2. Risiken vermindern

Somit wird beschlossen, dass die Tools AG entsprechende Sicherungsmassnahmen trifft, um einerseits die Eintrittswahrscheinlichkeit und andererseits das Schadenausmass zu reduzieren. Diese Sicherungsmassnahmen werden wie folgt definiert und umgesetzt:

  • technische Sicherungsmassnahme: Automatisierung der Qualitätskontrolle
  • organisatorische Sicherungsmassnahme: Anpassung des Prozesses der Qualitätskontrolle
  • personelle Sicherungsmassnahme: Weiterbildung und Sensibilisierung des Personals

Da auch durch diese Massnahmen die Schäden nicht per se vermieden werden können, gilt es nun den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen.

3. Risiken überwälzen

Erst hier kommt zum ersten Mal die Versicherung zum Zug, indem wir uns bewusst entscheiden, gewisse Risiken im Rahmen einer Versicherungspolice zu versichern. Die Police der Tools AG sieht nebst der herkömmlichen Standarddeckung insbesondere die beiden nachstehenden – immens wichtigen – Deckungen vor: – Rückrufkosten: Deckt die Kosten einer vom Fahrzeughersteller veranlassten Rückrufaktion. – Aus- und Einbaukosten: Deckt die Kosten für den Ausbau des mangelhaften und Einbau des tadellosen Teiles (exkl. Kosten für das zu ersetzende Kugellager – diese Kosten müssen von der Tools AG selber getragen werden). Es gilt zu beachten, dass für diese beiden Zusatzdeckungen ausreichende Versicherungssummen festzulegen sind. Diese Zusatzdeckungen sind – insbesondere im Bereich der Automobilzulieferer – sehr kostspielig. Somit prüfen wir im nächsten Schritt, den Risikoappetit der Tools AG.

4. Risiken selber tragen

Im Rahmen ihrer finanziellen und betrieblichen Möglichkeiten und unter Berücksichtigung des sogenannten Risikoappetits wird definiert, welche Risiken die Tools AG selber zu tragen bereit ist. Man spricht hier auch von der Risikoakzeptanz. In diesem Schritt werden auch die Selbstbehalte für die unter Punkt 3 erwähnten Zusatzdeckungen festgelegt. Hier gilt, je höher der Selbstbehalt, desto tiefer die Prämie.

Gut gewappnet für neue Projekte, aber …

Nach konsequentem Umsetzen dieser vier Stufen ist die Tools AG hinsichtlich des Haftpflicht-Versicherungsschutzes optimal gewappnet und kann ihren Risiken gelassener entgegensehen.

Nach gut 6 Monaten gilt es, sich dem nachstehenden vierten Schritt des Risk-Managements zu widmen. Leider geht dieser vierte Schritt in der Praxis oftmals unter.

Schritt 4: Überwachung

Im Rahmen des technologischen Fortschrittes und der Globalisierung verändern sich auch die Risiken, welchen die Tools AG ausgesetzt ist.

Somit müssen wir in regelmässigen Abständen überprüfen, ob neue Risiken hinzukommen oder frühere Risiken weggefallen sind. Auch ist zu evaluieren, ob die Bewertung der Risiken noch den aktuellen Gegebenheiten entspricht und es gilt festzulegen, wie die Tools AG mit neuen Risiken umgeht.

In der Überwachungsphase wird auch kontrolliert, ob die getroffenen Sicherungsmassnahmen zu einer Qualitätssteigerung geführt haben, ob für diese Massnahmen das Kosten-/Nutzenverhältnis stimmig ist und ob allenfalls Schäden vermieden oder zumindest vermindert werden konnten.

Diese Ausführungen sollen Ihnen, liebe LeserInnen, einen Einblick ins Risk-Management geben. Zögern Sie nicht, diese Thematik – nötigenfalls unter Beizug von Spezialisten – aktiv anzugehen.

In diesem Sinne wünsche ich allen eine risikoarme Zeit.